Ich frage wirklich nach deinem Menstruationszyklus. Also mal ganz unter uns: Wann hast du das letzte Mal über deinen Zyklus nachgedacht - und ich meine jetzt nicht als lästiges Problem, sondern in liebevoller Weise? Und wann hast du dich das letzte Mal auf deine Blutung gefreut? Nun, ob wir wollen oder nicht: der Zyklus gehört zu uns. Wir können gegen oder mit unserem Zyklus arbeiten. Und bei letzterem vielleicht sogar die ein oder andere Superkraft entdecken.


Was weißt du über deinen Zyklus?

In meinen Coachings mit Frauen stelle ich immer wieder fest, dass viele Frauen gar nicht wissen, in welcher Zyklusphase sie sind. Die meisten wissen, wann sie mit ihrer Monatsblutung rechnen können – ja, das schon. Aber darüber hinaus ist das Thema Zyklus weitestgehend irrelevant, fast schon uninteressant. Ist das nicht superschade, dass wir einen so bedeutenden Teil von uns selbst nahezu ignorieren (natürlich völlig unbeabsichtigt)? Okay, ich mag jetzt nicht so schlau daherreden, denn ich bin selbst erst vor einigen Jahren zufällig über das Thema gestolpert, und ich bin fast 40. Also hey, ich verstehe dich sehr gut, wenn du damit bislang kaum Berührungspunkte hattest. Woher denn auch?

Wie stehst du eigentlich zu deinem Zyklus?

Bevor du dir die Frage beantwortest, wie du zu deinem Zyklus und deiner Monatsblutung stehst, mag ich dir erzählen, wie es früher für mich war: Also, ich gehörte zu den Menstruierenden, die in hitzigen Meetings mit 23 Männern in dunkelblauen Anzügen und braunen Lederschuhen und exakt einer anderen Frau saß und so lächelte, als gäbe es für mich nichts Schöneres, als in diesem Moment hier zu sein. Was keiner ahnte: Eigentlich war das Lächeln eine Reaktion auf den Dauerkrampf in meinem Unterleib, in dem sich gerade “Krieg der Sterne” abspielte, weil die Wirkung der Schmerzmittel nachließ. Aber hey, es hat gar keiner gemerkt, glaube ich zumindest! Kennst du oder? Ein Hoch auf die Pharmaindustrie, die es uns Menschen mit Zyklus ermöglicht, während unserer Monatsblutung an der – sagen wir mal – „traditionellen“ Arbeitswelt teilzunehmen. Traditionell trifft es sehr gut, denke ich.

Ich hätte mir selbst niemals die Blöße gegeben, um wegen meiner Monatsblutung nicht zur Arbeit zu erscheinen, geschweige denn irgendjemandem zu sagen, dass ich wegen meiner Blutung nicht zur Arbeit komme. Undenkbar! Kennst du auch oder?

Doch warum fällt es uns Frauen bzw. Menschen mit Zyklus häufig so schwer, zu unserer Blutung zu stehen? Warum werden wir rot vor Scham, wenn wir nur daran denken, z.B. vor Arbeitskollegen oder dem Vorgesetzten auszusprechen, dass wir gerade bluten?

Die erlernte Scham

Ich weiß nicht, wie du es siehst, aber es liegt klar auf der Hand, dass da ein transgenerationales Thema dahintersteckt. Natürlich haben wir von unseren Müttern und sie von ihren Müttern übernommen, dass wir unserem lieben Kollegen und schon dreimal nicht unserem Vorgesetzten auf die Nase binden, dass wir gerade unsere Monatsblutung haben.

Viele Frauen aus meiner Generation (der Y-Generation) haben von ihren Müttern erfahren (und das ohne böswillige Absicht), dass es besser ist, im Stillen zu leiden, wenn sie ihre unaussprechliche Frauensache haben (erinnert mich ein bisschen an Voldemort von Harry Potter). Mit der ersten Monatsblutung gab es eine ganz deutliche Botschaft von Mama, die in etwa so lautet:

Oh Schreck, du hast deine … bekommen?! Okay, keine Panik auf der Titanic. Also hier gibt es Binden in verschiedenen Größen. Und gegen die Krämpfe helfen Schmerztabletten. Das wird schon mein Kind.

Ich übertreibe etwas, aber so ähnlich lief es bei vielen in meiner Generation ab. Darüber wurde eigentlich nie wirklich gesprochen. Und wenn überhaupt, dann war natürlich nicht von Bluten die Rede, sondern von Erdbeerwoche, Tante Rosa, Rote Welle, Besuch aus Rotenburg usw. Kennst du sicher, oder? Die Monatsblutung wurde (und wird leider immer noch) behandelt wie eine Krankheit. Als wäre das Bluten ein Symptom, das man mit Schmerzmitteln lindern kann. Wie furchtbar ist das bitte?

Oder gehörst du zu den Frauen, deren Mutter eine Party gefeiert hat, als du deine erste Blutung bekommen hast? Wenn ja, dann melde dich bitte bei mir, denn das will ich mir von deiner Mom für meine Tochter abschauen 🙂

Zurück zum Thema: Erste Blutung. Unaussprechliche Sache. Scham: Ja, und wie verhält sich die angepasste, wohlerzogene Tochter mit ihrem “Frauenleiden” dann in der Arbeitswelt? Na sie leidet! Zwar still und diskret, mit passenden Ausreden, einer großen Portion Scham und vielleicht guten Schmerzmitteln. Aber sie leidet. Was ja für eine Krankheit völlig nachvollziehbar ist, oder? Doch ist unsere Blutung gar keine Krankheit. Und es muss auch kein Leiden sein, wenn wir uns mit unserem Zyklus versöhnen und das Arbeiten an unseren Zyklus anpassen und nicht umgekehrt!

Wie sieht eine zyklusfreundliche Arbeitswelt aus?

Anstatt zu versuchen, uns - auf Teufel komm raus - in eine Arbeitswelt zu fügen, an der wir regelmäßig an unsere Grenzen stoßen, weil sie alles andere als zyklusfreundlich ist, dürfen wir uns heute entscheiden, es anders zu machen. Wir allein haben es in der Hand, unser Arbeiten zu verändern, so wie es zu uns als Frauen und Menschen mit Zyklus passt.

Vielleicht magst du dich einmal fragen, wie die Arbeitswelt für dich sein darf, damit du dich vollkommen angenommen und wertgeschätzt fühlst? Und wenn du Kinder hast, magst du dich vielleicht einmal fragen, welche Arbeitswelt du deinen Kindern hinterlassen willst? Welches Bild möchtest du weitergeben vom Arbeiten als Frau, als Mutter, als Mensch mit Zyklus? 

Wie würde dir folgende Arbeitswelt gefallen?

  • Eine Arbeitswelt, in der es völlig normal ist, über seine Blutung offen zu sprechen und es Menschen mit Zyklus frei steht, während der Blutung einen völlig selbstverständlichen Menstruationsurlaub zu nehmen (auch wenn sie sich nicht vor Schmerzen quälen) und trotzdem bezahlt zu werden. Und das frei von Scham!

  • Eine Arbeitswelt, in der die Zyklusphasen der Teammitglieder von vornherein in die Projektplanung integriert werden. Projektabschlüsse, Pitches und Verhandlungen würden in Zyklusphasen stattfinden, in denen die Menschen mit Zyklus sehr überzeugend sein können, ihnen alles leicht fällt und sie auch noch Spaß bei der Sache haben.

  • Eine Arbeitswelt, in der Frauen im Unternehmen sich mit anderen Menschen mit Zyklus zusammentun, um gemeinsam zu reflektieren. Mit geballter Intuition würden Dinge, die nicht mehr dienlich sind, für das Unternehmen verabschiedet und neue Ideen entwickelt werden. Die Meinung von Menschen mit Zyklus hätte in wichtigen Entscheidungen einen besonderen Stellenwert. Wie klingt das?

Okay, vielleicht denkst du dir gerade: “Das ist etwas zu krass für meinen Geschmack”. Das versteh ich natürlich total. Ich geb zu, es hört sich einwenig an wie ein Fantasy-Drehbuch. Doch frage ich mich tatsächlich, warum eigentlich? Warum wirkt es so abgedreht, wenn wir uns eine Arbeitswelt vorstellen, in der die Projektphasen an den natürlichen Zyklus der Menschen angepasst werden und nicht umgekehrt? Und warum wirkt es fast schon verrückt, dass Frauen und Menschen mit Zyklus bei wichtigen Unternehmensentscheidungen um ihren weisen Rat gebeten werden? Mir jedenfalls gibt es zu denken und vielleicht löst es gerade auch in dir etwas aus.

Die Vorteile von zyklusbasiertem Arbeiten

Ganz platt gesagt, beeinflusst unser hormoneller Zyklus unser Wohlbefinden und unsere Produktivität. Bedeutet, wir haben in den unterschiedlichen Zyklusphasen (die Rede ist von vier Phasen) unterschiedlich viel Energie zur Verfügung. Wenn wir also mit unserem Zyklus arbeiten, passen wir unsere Arbeitsphasen und Aufgaben an die natürlichen Kräfte unseres Körpers an. Hmmm… das hört sich doch nach einem sehr gesunden Arbeiten an, findest du nicht?

Zur Belohnung würde es dir dein Körper sogar danken. Hier sind einige gute Gründe, die für ein zyklusbasiertes Arbeiten sprechen:

  • Höhere Produktivität: Wenn du z. B. herausfordernde Aufgaben in einer Zyklusphase mit hohem Energielevel angehst, wirst du vielleicht überrascht sein, wie leicht dir die Dinge plötzlich fallen und was du alles schaffen kannst.

  • Besseres Wohlbefinden: Achtest du mehr auf die Signale deines Körpers in den unterschiedlichen Zyklusphasen und passt deine Arbeit entsprechend an, wirst du vielleicht überrascht sein, wie gesund und vital du dich im Allgemeinen fühlst.

  • Gute Entscheidungen: Ruhst du dich z. B. in Phasen mit einem niedrigen Energielevel mehr aus und nimmst dir Zeit für Reflexion, wirst du vielleicht überrascht sein, wie klar und deutlich du die Dinge plötzlich vor dir siehst und genau weißt, was du loslassen musst, damit Platz für Neues entsteht.

  • Mehr Verbundenheit: Wenn du z. B. die Care-Arbeit in Zeiten mit weniger Energie an deine/n Partner/in abgibst und in anderen Phasen dafür mehr einspringst, wirst du vielleicht überrascht sein, wie entspannt du dich im Umgang mit deinen Kindern fühlst und wie gut es sich auf deine Paarbeziehung auswirkt.


Forschungsreise zu deinem Zyklus

In diesem Sinne lade ich dich dazu ein, dich auf eine kleine Forschungsreise zu dir selbst zu begeben. Vielleicht hast du ja Lust, deinen Zyklus in den nächsten Tagen und Wochen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen…

Wenn du magst, könntest du damit beginnen, ein Zyklus-Tagebuch zu führen. Vielleicht nimmst du dir - beginnend ab heute - täglich 5 Minuten Zeit für deine Zyklus-Reise. Betrachte dich doch ein paar Sekunden länger im Spiegel und halte in einem schönen Tagebuch fest, was dir für Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen oder Bilder kommen. 

Vielleicht können dir die folgenden Fragen bei deiner Selbstwahrnehmung dienlich sein: 

  • An welchem Tag meines Zyklus befinde ich mich heute (Tag 1 ist der erste Tag deiner Blutung).

  • Wie fühle ich mich heute in meiner Haut, in meinem Körper?

  • Welches Bild würde mein Energielevel am besten beschreiben (z. B. ich könnte Bäume ausreißen, ich hänge in den Seilen, ich laufe auf Sparflamme)

  • Welches Wetter würde meine Stimmung heute am besten widerspiegeln (z. B. regnerisch, purer Sonnenschein, neblig)?

  • Wonach ist mir gerade?

  • Was hab ich für Gelüste?

  • Wen mag ich gerade um mich haben? Wen eher weniger?

  • Wie laut oder leise erlebe ich heute die Außenwelt oder meine Kinder?

  • Wie intensiv rieche ich heute Essen, Kaffee, Menschen und meine Umgebung und was macht das mit mir?


So, meine Liebe, ich bin gespannt, wie du mit diesem kleinen Selbstbeobachtungsexperiment zurechtkommst und welche Erkenntnisse du aus deiner Zyklus-Reise mitnimmst. Wenn du magst, dann schreib mir gerne, wie es dir ergangen ist.

In meinem nächsten Blogartikel stelle ich dir ein sehr anschauliches Modell vor, mit dem du ganz easy in dein zyklusbasiertes Arbeiten starten kannst, wenn du das möchtest:

“Zyklusbasiertes Arbeiten am Modell der vier Jahreszeiten”

Unten findest du noch ein paar Bücher, falls du dich etwas intensiver mit dem Thema “Zyklus” beschäftigen magst.  


 

Hey, ich bin Juliana Frank

Systemische Beraterin, Kommunikationswissenschaftlerin und New Work-Enthusiastin

Ich bin davon überzeugt, dass es an der Zeit ist, Arbeit neu zu denken und menschlich zu gestalten. Uns vom veralteten Bild zu befreien, was Arbeit bedeutet und ein neues Bild zu erschaffen. Ein Bild, dass uns Menschen im Mittelpunkt zeigt, mit all unseren Bedürfnissen, Emotionen, Zyklen und allem, was uns ermutigt, uns zu entfalten und uns zu verbinden mit uns selbst und mit anderen.

Als Coach unterstütze ich insbesondere Frauen im Prozess der Selbstermächtigung. Ich begleite sie darin, Arbeit neu zu denken und neu zu gestalten, damit sich die Arbeit in ihr Leben fügt: in das eigene Bild eines sinnerfüllten Lebens!

 

Buchempfehlungen zum Thema “Zyklus”:

  • Alexandra Pope, Sjanie Hugo Wurlitzer: Wild Power - Dein Zyklus als Quelle weiblicher Kraft

  • Nora Konrad: Die Kraft deines Zyklus - Leben im Einklang mit den weiblichen Jahreszeiten

 

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Nein? Dann schau doch gleich mal rein.

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Wie kann ich meine Arbeit an meinen Zyklus anpassen?

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